Das NaGe-Netzwerktreffen
Die Menschen und Gruppen, die im Sinn der Selbsthilfe im NaGe-Netz zusammenarbeiten, trafen sich in der Regel jeden zweiten Montag im Monat. Wer neu einsteigen wollte oder einfach mal interessiert war, konnte einfach zu einem Treffen dazu kommen, denn die Treffen stets offen für alle.
Beim gemeinsamen Essen und Trinken ab 18:30 Uhr sind Interessierte (Nachbar*innen und Gewerbetreibende jeder couleur) zum lockeren Zusammensein eingeladen, um u.a. das NaGe-Netz etwas kennenzulernen, sich aber an erster Stelle einfach untereinander auszutauschen. Es können aktuelle Verdrängungsfälle aufgenommen werden, (Kiez-) Erfahrungen geschildert werden, Aktionen und Veranstaltungen beworben werden. Wenn es von den Beteiligten gewünscht ist, können diese Themen und Informationen dann ins anschließende Plenum um 19:30 Uhr mit hineingetragen und vertieft werden. So die wesentlichen Aspekte. Die Pandemie hat nun erst einmal manche Abläufe entschleunigt. Entschleunigung ist ganz sicher nicht schlecht, aber wir brauchen natürlich auch wieder wirkliche zukünftige ganz menschliche Perspektiven. Live, mit Herz und Schmerz sozusagen.
Das sind unsere Themen
Solidarität unterstützen
– Gemeinschaftsaktionen, Kundgebungen, Demos
– Öffentlichkeitsarbeit für Kampagnen
– Öffentlichkeitsarbeit zu Verdrängungsfällen
– Offene Briefe
Ansiedelung beeinflussen
–
Kritische Haltung und und Druck erzeugen gegen WebTech-Unternehmen
sowie Filialen von Geschäftsketten, die das Kleingewerbe, Soziale
Einrichtungen und Handwerker/innen, verdrängen
– Eingreifen des Bezirks anstrengen
– Bedarfsanalysen und Wunschproduktion
– kritische Haltung zu Wirtschafts- und Tourismusförderung
Informationsaustausch organisieren
–
für Bauprojekte im Umfeld. (Re)Aktionen bzgl. Veränderungen
dokumentieren. (Beispiele: Modellprojekt Kotti/Gewobag, Baulücke
Skalitzer/Mariannenstr., Prozesse am Moritzplatz/ Pandion, Markthalle
Neun etc.)
– Informationstransfer organisieren mit Veranstaltungen und der Ladung von Expert*innen
– Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Teams
– Kartierungen der Sozialräume
–
Diskussion und Weitergabe von Informationen aus Treffen der Initiativen
mit Politiker*innen“ (Bsp.: Bundesratsinitiative Gewerbemietschutz,
Ausschreibungen zur Wirtschaftsförderung zur Einrichtung von
Gewerbeflächen)
Rechtliche Entwicklung vorantreiben
– Gewerbemietrecht einführen und Schutzmechanismen einbauen
– Besonderes Mietrecht für Soziale Daseinsvorsorge
– Milieuschutzgebiete für Gewerbe
– Mietspiegel für Gewerberäume
– Transfer in den politischen Raum
– Demokratisierung der Nutzung von Grund und Boden – gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“ (Bsp.: Community Land Trust – CLT)
Unser Ziel ist die Solidarität zwischen den Menschen in der Nachbarschaft und den Gewerbetreibenden im Kiez.
Kreuzberg steht unter Druck
Gerade in den bekannten „Geschäftsstraßen“ in Berlin-Kreuzberg (ehemalig SO36) herrscht massiver Verdrängungsdruck. Die Gewerbemieten in der Oranienstraße, der Reichenberger Straße und der Wrangelstraße sind in den letzten Jahren massiv angestiegen und sämtliche Quer- und Parallelstraßen ziehen ebenso an und macht auch nicht an Stadtteilgrenzen halt.
Die Forderungen der Immobilieneigentümerinnen sind oft jenseits dessen, was die bestehenden Gewerbe erwirtschaften können. Eine kleine Papeterie in der Oranienstraße sah sich mit einer Mietforderung von 70 €/qm konfrontiert. Keine Chance, solche Forderungen mit einem Geschäft zu erfüllen, das auf den Bedarf der umliegenden Anwohnerinnen ausgerichtet ist. Tatsächlich stehen die sinkenden Umsatzentwicklungen der Läden auch den Steigerungsfantasien der Immobilienwirtschaft entgegen.
Einen Mieterinnenschutz für Gewerbe gibt es nicht. Es gibt noch nicht einmal ein definiertes Gewerbemietrecht, geschweige denn ein extra definiertes Mietrecht für soziale Einrichtungen. Unter dem Vorzeichen mangelnder Gewerbeflächen haben Vermieterinnen eine ungleich stärkere Position, die sie auszunutzen versuchen. Für die Betroffenen führen überhöhte Mietforderungen zur erzwungenen Verdrängung und damit oft zur Zerstörung ihrer gewerblichen wie persönlichen Existenzen. Das darf nicht sein!
Lebensqualität hat nicht nur mit lokaler Versorgungsqualität und dem Produktsortiment der Läden zu tun, sondern die Haltung der Menschen in den Läden ist entscheidend für das „Kiezgefühl“.
Lokale Verankerung ist die Gesprächsgrundlage
Immer wieder geraten langjährig existente und florierende Geschäfte sowie soziale Einrichtungen (Kitas, Nachbarschaftsvereine, etc.) durch extreme Mietsteigerungen unter Verdrängungsdruck. Leider ist zu sehen, dass sich die Bedrohungslage für lange bestehende Geschäfte sogar erhöht, weil bei diesen Betrieben oft noch relativ günstige Mietverträge existieren und auslaufen. Aber diese gewachsenen Strukturen sind unsere Kiezkultur, die wir nicht kampflos aufgeben!
Kleingewerbetreibende sind stark lokal verankert, ihre Angebote sind an den Ort angepasst und damit abhängig vom Fortbestand der Geschäftstätigkeit an Ort und Stelle. Sie sind integrativer Teil der Nachbarschaften und wichtige Stütze der sozialen Kontakte, weil sie durch die halböffentlichen Orte (Läden in EG-Lagen) und wegen ihrer persönlichen Vertrautheit mit den Menschen Vorort einzigartige und stabile Bindungen tragen und dadurch die Orte prägen. Die Läden im Kiez sind der Kiez!
Nachbarschaft entsteht im Sich-Kennenlernen, das zu einem Sich-schätzen, Sich-füreinander-einsetzen wird.
Zusammenarbeit kann helfen
Aber nicht nur Gewerbetreibende sondern auch die Anwohnerinnen können sich äußern und deutlich machen, dass sie genau hinsehen, wie sich Immobilien-Managerinnen verhalten. Insbesondere Menschen und Familien, die seit vielen Jahren im Kiez verwurzelt sind, Teil seiner gewachsenen Geschichte sind, dürfen nicht einfach wegen der Bodenspekulation und den Gewinnerwartungen von Immobilienfonds verdrängt werden. In den mietenpolitischen Initiativen hat sich darum eine Solidarkultur entwickelt, die über öffentliche Aktionsformate schon bei etlichen Fällen die Verhandlungen positiv für die Mieter*innen beeinflussen konnten. Der vielfältige Kreuzberger Kiez mit seinen vielen engagierten Menschen darin kann eine Art Schutzschild bilden.
In dieser Situation hat die Vernetzung zwischen der Initiativenarbeit engagierter Bürgerinnen und den Kleingewerbetreibenden besondere Bedeutung. Die Verbindung der Interessen von Gewerbetreibenden und Anwohnerinnen kann Nachbarschaften über alle sozialen oder andere Unterschiedlichkeiten hinweg solidarisch mobilisieren. Als diverse Gemeinschaft kann so politische Kraft erzeugt werden, die sich deutlich und wirksam gegen Verwertungsinteressen stellt. Dies in Selbsthilfe zu organisieren, ist unser Wille.