Solidarisches Netzwerk von Nachbarschaft und Gewerbetreibenden in Berlin-Kreuzberg

Offener Brief: OraNostra fordert inhaltliche Einbindung von lokalen Initiativen bei Ausschreibung und Vergabe von Projekten im Kiez

Am Montag Abend, den 1.7.19, veröffentlichte die Initiative OraNostra einen offenen Brief, unter anderem an Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und die BVV Friedrichshain-Kreuzberg. Die Forderungen an den Bezirk sind klar: in Kreuzberg gibt es zahlreiche Inititativen, Vereine und Strukturen, die aktiv für den Kiez arbeiten und gut vernetzt sind. Diese Akteure wollen inhaltlich an Projekten und Maßnahmen, die von Bezirk und Senat finanziert werden, beteiligt sein – an Ausschreibung wie auch Umsetzung.

Anlass für den Brief ist das mit 180.000€ finanzierte Projekt „Unternehmen für den Kotti“, welches von einer außenstehenden Institution, der Agentur Lokation:s, realisiert wird. Ausgangspunkt für das Projekt war ein zivilgesellschaftliches Engagegement: die „Freitagsrunde“. Eine inhaltliche Abstimmung fand mit ansässigen Trägern und Initiativen jedoch nicht statt.


Offener Brief an:
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann
Baustadtrat Florian Schmidt
Bezirksstadtrat Andy Hehmke
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
BVV Friedrichshain-Kreuzberg
Büro der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain–Kreuzberg Wirtschaftsförderung Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg Quartiersmanagement Zentrum Kreuzberg / Oranienstraße

Sehr geehrte Damen und Herren,

Im Frühjahr 2019, lud das Projektteam der Agentur Lokation:s im FHXB Museum zum zweiten Treffen für Gewerbetreibende ein. Das von Lokation:s geleitete Projekt „Unternehmen für den Kotti“ wurde im Juni 2018 gestartet und vom Quartiersmanagement sowie der Wirtschaftsförderung Friedrichshain-Kreuzberg initiiert. Das Treffen nehmen wir zum Anlass für einen Rückblick auf die Ausschreibung des Projekts, eine Auswertung der bisher geleisteten Arbeit von Lokation:s sowie die Formulierung von klaren Forderungen für die Zukunft:

Rückblick auf die Ausschreibung des Projekts „Unternehmen für den Kotti“

Zum wiederholten Male wurde, gegen die Kritik des Quatiersrates und weiterer zivilgesellschaftlicher Akteure, ein externer Dienstleister beauftragt am Kotti tätig zu werden. Der Ausgangspunkt für das Projekt „Unternehmen für den Kotti” war ein zivilgesellschaftliches Engagement: die „Freitagsrunde”. Jedoch fand im Ausschreibungsprozess, seitens Bezirksamt (BA), Quartiermanagement (QM) und Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen (SENSW) sowie in der Vergabe, keine inhaltlich-strategische Abstimmung mit Trägern und Initiativen statt. Projekte und bestehende Akteursgruppen wurden bzgl. Kommunikations-, Strategie- und Gestaltungsvorgehensweise nicht konsultiert. Die Gefahr bestand also, gegensätzliche Strategien zu implementieren. Die Chance, Synergien und Inhalte zwischen den Projekten und Initiativen im Vorfeld der Ausschreibung mitzudenken, wurde verpasst. Dieses Vorgehen steht auch im Widerspruch zu dem im r2g Koalitionsvertrag formulierten Anspruch von Transparenz und einer stärkeren Einbindung der Zivilgesellschaft (Bürgerbeteiligung). Die Ausschreibung ließ Unkenntnis der Lage vor Ort erkennen, war unklar und ließ zu viel Interpretationsraum offen.

Auswertung der bisher geleisteten Arbeit von Lokation:s

Die Vorstellung der erbrachten Leistung von Lokation:s konnte in der Präsentation am 1.4.2019 nicht nachvollziehbar dargestellt werden. Es gab und gibt nach wie vor keinen Überblick über geplante Schritte und die konkrete Unterstützung von Gewerbetreibenden innerhalb des Projektes. Die Ziele und Vorgehensweise von Lokation:s sind nach wie vor unklar:

– Transparenz/Öffentlichkeitsarbeit

Die Schritte und Ergebnisse sowie die eigentliche Existenz des Projektes sind nirgendwo öffentlich ersichtlich. Gewerbe-Mapping, Dokumentation des 1. Treffens im Museum FHXB, aufgenommene Ideen der Gewerbetreibenden, Termine etc. findet man weder online, auf der Homepage von Lokation:s, noch an öffentlichen Orten (Plakate/Flyer/Infomaterial).

– Kontaktaufnahme zu Gewerbetreibenden/Netzwerkaufbau

Insbesondere die Frage, wie viele Gewerbetreibende aufgesucht und angetroffen wurden, oder mit wie vielen ein Gespräch stattfand, konnte nicht beantwortet werden. Lokation:s sprach von einer Komplettbestandaufnahme, dies wurde von Gewerbetreibenden als nicht richtig dargestellt, da ein Großteil der Gewerbe, speziell Gastronomie, nicht erfasst wurde. Auch wurde nicht dargelegt wie die Gewerbetreibenden-Ansprachen mit anderen laufenden Projekten koordiniert werden sollen.

– Umgang mit Bedarfsäußerungen der Gewerbetreibenden

Beim ersten Treffen für Gewerbetreibende Mitte November 2018 wurden gemeinsam die wichtigsten Probleme bestimmt. Dabei kristallisierte sich bereits damals eindeutig heraus, dass die Gewerbemieten, ein nicht existentes Gewerbemietrecht sowie die dazu führende Verdrängung die akuten Themen sind. Vier Monate später wurde zu diesem Problem keine Idee ausgearbeitet.
– Ideen/Angebote/Maßnahmen
Die dringendste Frage am 1.4. war, mit welchen Maßnahmen Lokation:s die Gewerbetreibenden konkret unterstützen kann. Lokation:s schlug daraufhin vor, sich mit der OraNostra zu treffen, um Arbeitsschritte zu entwickeln (Ein Treffen setzt allerdings voraus, dass Lokation:s alle bisherigen Ergebnisse zunächst offenlegt, damit eine Entscheidung zum weiteren Umgang getroffen werden kann).
Dass Lokation:s am 1.4., also vier Monate nachdem sie bereits Bedarfe ermittelt hatten, keine einzige konkrete Maßnahme, kein Angebot und keine Idee präsentieren konnten, ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Gewerbetreibenden keine Zeit zu verlieren haben, absolut fahrlässig. Woran genau hat Lokation:s in den letzten viereinhalb Monaten gearbeitet?

Forderungen

Wir fordern vom Bezirk/Senat und Quartiersmanagement die inhaltliche Einbindung von ansässigen Initiativen und Trägern bei zukünftigen Ausschreibungen!

Wir fordern vom Bezirk/Senat die Beauftragung von ansässigen Initiativen und Trägern mit zukünftigen Projekten!

Wir fordern von Lokation:s die Darstellung der umgesetzten Maßnahmen, die sich aus dem Ausschreibungstext ergeben kurzfristig zu präsentieren:

  • Wo fand Vernetzung von Unternehmen statt?
  • Wo wurden lokale und multinationale Gewerbetreibende, sowie weitere Akteur*innen angesprochen? Wieviele?
  • Wie ist der Stand des Aufbaus einer nachhaltigen Kommunikationsstruktur?
  • Wie wurden bislang noch nicht aktive Gewerbetreibende motiviert? Wieviele?
  • Wieviele Treffen und Veranstaltungen sind 2018 vorgesehen gewesen?
  • Wieviele sind zukünftig vorgesehen? Welche gemeinsamen Leitziele und innovative Strategien für eine gemeinsame Identität wurden wann mit wem erarbeitet?
  • Wo ist der Auftrag der Öffentlichkeitsarbeit erfüllt?
  • Wie binden sich die Aktivitäten in die Praxen der anderen Projekte und zivilgesellschaftlichen Initiativen ein, ohne dass es zu einer Mehrbelastung dieser führt?

Wir fordern von Lokation:s öffentliche Transparenz im weiteren Verlauf des Projekts! Wir fordern den Abschluss des Projektes zum nächst möglichen Zeitpunkt!

Mit freundlichen Grüßen
OraNostra
Bündnis von Kleingewerbetreibenden, Handwerksbetrieben, Sozial- und Kultureinrichtungen und Nachbarn im Oranienstraßenkiez