Solidarisches Netzwerk von Nachbarschaft und Gewerbetreibenden in Berlin-Kreuzberg

„WiderStände“ auf die Straße bringen, überall wo Verdrängung stattfindet

Unzählige Orte in Berlin sind leider zu Orten der Verdrängung geworden. Eben diese Orte sind aber auch die Orte des lebendigen und kreativen Widerstands gegen die marktförmige Umwandlung der Stadt. Um mehr Aufmerksamkeit auf die vielen einzelnen Hausgemeinschaften oder Initiativen zu ziehen, die sich im Abwehrkampf gegen die Verdrängung befinden, wollen wir auffällige „WiderStände“ auf die Straße bringen.

Wie ein Protest-Podest entsteht: Aufbau an zwei Tagen, hier vor „Kamil Mode“ am Kottbusser Damm.
Der Platz auf der Straße, war wichtig für die Initiative, um sich zu treffen, permanent Menschen mit ihre Botschaften zu erreichen, und um Kundgebungen darauf abzuhalten.

Zum ersten Mal zum Einsatz kam so ein „WiderStand“ in Form eines Protest-Podests als die Initiative rund um den Laden »Kamil Mode“ am Kottbusser Damm 9 eine Möglichkeit gefunden hat, vor dem Laden Informationen zum Verdrängungsgeschehen anzubringen, ohne dass der Vermieter etwas dagegen unternehmen kann. Mit einer Holzkonstruktion in einer Parklücke auf der Straße, konnte der Protest gegen die Kündigung des Ladens dauerhaft vor Ort präsent gemacht werden. Das Protest-Podest wurde zur Basis für Kundgebungen und verschiedene Performances. Die Wände wurden mit Informationen über den Fall und das gerichtliche Verfahren behängt und allerlei Protestbotschaften zeigten, dass hier eine aktive und solidarische Gruppe, alles versucht hat, um die Familie, die den Laden betrieb, im Kiez zu halten. Leider vergeblich, aber das Protest-Podest steht auch heute über die Dauer des aktiven Kampfes hinaus noch da und zeigt allen, mit welchen Mitteln der Vermieter hier einen funktionierenden Laden zerstört hat. So kann ein WiderStand auch zu einem Mahnmal werden, das daran erinnert, dass manche die Stadt auf kosten von anderen verwerten (wollen).

Aus dem Prototyp wird eine Protest-Methode

Die positive Erfahrung mit dem Protest-Podest bei Kamil Mode ließ die Idee entstehen, daraus etwas zu machen, was vielen Initiativen und Hausgemeinschaften nützen mag. Genehmigungen zur Aufstellung solcher „WiderStände“ sollten möglichst einfach gelingen, wenn es ein paar Modelle als Bausatz gäbe, die von den Hausgemeinschaften in Selbstbau schnell aufgestellt werden könnten, und bei denen alles vorab mit den zuständigen Fachämtern besprochen ist. Das Ziel sollte sein, Initiativen sehr schnell zu ermöglichen, ihren Protest in gebauter Form dauerhaft auf die Straße zu bringen.

Die Konzept-Idee zusammengefasst:

  • Am Ort des Geschehens von Verdrängung dauerhaft aufmerksam machen > „Hier geschieht Verdrängung!“
  • Die vielen Orte als Einzelpunkte einer großen Stadt-verändernden Gentrifizierungsproblematik sichtbar machen > „Boah, so viele?!“
    • Auch dauerhafter als der „Kampf“ ums jeweilige Haus
    • Unabhängig von Erfolg oder Misserfolg
  • Die Hausgemeinschaften mit einem praktischen Projekt vor der eigenen Haustür aktivieren < „Wir zeigen unsere Widerständigkeit!“

Inzwischen sind einige Bauformen an WiderStänden entwickelt. Sie reichen von kleinen Stelen, die mit der Grundfläche einer Palette auskommen, bis zu großen Formen, die dann als Parklet aufgestellt werden können.

Wenn eine Gruppe plant, ein Protest-Podest aufzustellen, sollten sie dafür die Anwohner*innen organisieren und gemeinsam absprechen, welche Form in Frage kommt. Durch eine Aufstellung sind immer Parkplätze betroffen und darüber hinaus könnten insbesondere die größeren Podest-Varianten anders genutzt werden, als von der Gruppe gewünscht. Darum gilt es, alle Anwohner*innen ins Boot zu holen, potenzielle Probleme anzusprechen und gemeinsam zu bereden, wie das Podest durch eine gemeinsame Betreuung seinen politischen Charakter behält. 

Unterstützung für Initiativen und Hausgemeinschaften

Bei der Mobilisierung einer Hausgemeinschaft kann das gemeinschaftliche Aufbauen eines „WiderStandes“ vor dem Haus Nachbar*innen im gemeinsamen Aktivismus gegen ihre Verdrängung zusammenbringen. Durch den Info- und Aktionspunkt vor dem Haus werden Informationen ausgetauscht und auch nach Außen in die Nachbarschaft gestreut. Regelmäßige Treffen oder Versammlungen bekommen einen Kristallisationspunkt.

Bei den Aktionen rund um den Oranienspäti, dessen Räumung verhindert werden soll (#Ora35 #Spätkampf), wurde zur Kundgebung am 4.7.2019 eine Variante des Protest-Podests aufgebaut. Der WiderStand wird hier Zentrum des Widerstands gegen die Verdrängung des Oranien-Spätis.

Die Nachbarschaft versammelt sich zur Kundgebung rund um das Protest-Podest.