Solidarisches Netzwerk von Nachbarschaft und Gewerbetreibenden in Berlin-Kreuzberg

Zur Kurzarbeit gehört die Kurzmiete

Ein Impuls von Magnus Hengge

In der Coronakrise gilt die deutsche Erfindung der ›Kurzarbeit‹ wieder als Garantie dafür, dass die Wirtschaft einigermaßen unbeschadet über die Zeit des Shutdowns kommen wird. Schon 2008/2009 während der Finanzkrise konnte Deutschland mit der Kurzarbeit eine massenhafte Arbeitslosigkeit verhindern. Länder ohne solch eine Regelung wurden dagegen tief in eine lang anhaltende Rezession gerissen.
Diesmal wird uns ein Garantiesystem für Arbeitsverhältnisse aber nicht reichen. Die Gesellschaft braucht jetzt eine legale Lösung, damit die Pflicht zum Bedienen von Dauerschuldverhältnissen ausgesetzt und anteilig vom Staat übernommen werden kann. Deutschland braucht jetzt die ›Kurzmiete‹.

So könnte der Staat ein Mietverhältnis krisenfest machen: Ein Mieter begründet beim Staat das für ihn bezahlbare Kurzmiete-Niveau und reduziert anschließend die Miete. Dem Vermieter wird vom Staat 60% des Mietverlusts aufgefüllt. Der Vermieter muss das bis zu einem Jahr dulden und darf dem Mieter nicht kündigen.

Kurzarbeit ist Einsicht in die Notwendigkeit

Kurzarbeit gibt es, weil der Staat möchte, dass bestehende Arbeitsverhältnisse möglichst auch dann erhalten bleiben, wenn das Unternehmen mal in eine Krise gerät. Es ist Ziel des staatlichen Handelns, Menschen in Arbeit zu halten. Dafür gibt der Staat richtig viel Geld aus. Dem in die Krise geratenen Unternehmen wird bis zu 60% – bei Menschen mit Kindern sogar 67% – des Lohns, den es an Arbeitnehmer*innen auszahlt, gegeben. Einfach so. Das Unternehmen muss dafür keine Schulden machen und der Staat wird auch nicht Anteilseigner am Unternehmen. Die Arbeitgeber*innen müssen nur garantieren, dass sie während der Kurzarbeit die Arbeitnehmer*innen nicht entlassen. Sie müssen lediglich auf das Recht, den Beschäftigten zu kündigen verzichten. Da das Unternehmen fähige Leute aber in der Regel ohnehin behalten möchte, um mit ihnen nach der Krise wieder arbeiten zu können, kann es einfach als geschenktes Geld angesehen werden. Der Gesetzgeber hat verstanden, dass es für alle besser ist, wenn sowohl die Pleite der Unternehmen, als auch die Arbeitslosigkeit der Beschäftigten vermieden wird. Dahinter steckt volkswirtschaftliche Einsicht und die Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl.

Kurzarbeit kurz erklärt: Mit grafischer Darstellung und Blick von Seiten der Arbeitnehmer*innen.

Über die Höhe des staatlichen Geldgeschenks müssen sich Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen übrigens gemeinschaftlich einigen. Also so ähnlich wie bei Tarifverhandlungen, nur im kleineren Rahmen. In Einschätzung der krisenhaften Minderauslastung, muss gemeinsam bestimmt werden, dass die Wochenarbeitszeit z.B. von regulär 36 Stunden auf 12 Stunden gesenkt wird. Das Unternehmen muss in diesem Beispiel entsprechend zur Arbeitszeitreduzierung nur noch ein Drittel des Lohns selbst aufbringen. Die fehlenden zwei Drittel des Lohns werden zu 60% (bzw. bei Menschen mit Kindern zu 67%) vom Staat aufgefüllt.

Die Arbeitnehmer*innen bekommen in diesem Beispiel also so viel Lohn, als würden sie noch 26,4 Stunden arbeiten, obwohl sie tatsächlich nur 12 Stunden leisten müssen. Das Modell kann auf einen beliebigen Wert gesetzt werden, kann während der Kurzarbeit-Phase flexibel angepasst und sogar bis auf Null Arbeitsstunden abgesenkt werden. Ist Arbeit da, wird gearbeitet – geht sie aus, kann auf ›Kurzarbeit Null‹ gegangen werden. Arbeitgeber*innen können – sofern sie es sich leisten können – sogar das gesenkte Gehalt noch weiter auffüllen, so dass es für Arbeitnehmer*innen noch weniger herausfordernd ist, sich auf die Kurzarbeit einzulassen. Das ist insbesondere bei Geringverdienenden wichtig, denn auch bei einer Lohnabsenkung um nur z.B. 15% könnten sonst viele schon nicht mehr ihre laufenden Kosten bezahlen.

Dieses System der Kurzarbeit finanziert der Staat auf die maximale Dauer von einem Jahr, wenn die Arbeitgeber*innen glaubhaft machen können, dass die Krise vorübergehen wird und das Unternehmen irgendwann wieder voll unter Dampf stehen wird.

Da muss man doch anerkennend ausrufen: Wow! Was für ein sowohl ausgeklügeltes, flexibles und logisches System. Und es ist längst umfassend in seiner Wirksamkeit bewiesen. Schon unzählige Unternehmen und Arbeitsverhältnisse wurden damit gerettet. Die Welt schaut neidisch auf die deutsche Kurzarbeit.

Die gesamte Volkswirtschaft ist in der Krise

Jetzt in der Corona-Krise ist aber nicht nur ein Unternehmen oder eine Branche in der Krise. Jetzt ist die gesamte Volkswirtschaft in der Krise. Dazu noch in einer Krise, die der Gesellschaft von der Politik verordnet wurde, denn die Wirtschaft – nein die gesamte Gesellschaft – wurde vom Staat aus gesundheitspolitischer Einsicht in die Notwendigkeit zum Innehalten gezwungen.

Es ist an dieser Stelle ausdrücklich zu betonen, dass der verordnete Shutdown und die Kontaktsperren angemessen scheinen. Um ein massenhaftes Sterben an Covid19 zu verhindern, das insbesondere deshalb aufträte, weil die Versorgungskapazitäten der Intensivstationen nicht mehr ausreichen würden, alle, die medizinische Versorgung brauchen gleichzeitig zu behandeln. Daher braucht es das harte Durchgreifen in der Form, wie wir es in Deutschland gerade erleben. Die Maßnahmen werden einsichtig vom größten Teil der Bevölkerung unterstützt und weitgehend eingehalten. Dennoch bleiben wir alle in der Verantwortung wachsam zu sein, damit ein temporäres Aussetzen von demokratischen Grundrechten (z.B. der Versammlungsfreiheit und des Demonstrationsrechts) nicht zu einer dauerhaften Beschädigung der Demokratie führt.führt.

Kurzarbeit ist ein volkswirtschaftliches Erfolgsrezept, eine Medizin für die Gesellschaft. Sie wird vom Staat verabreicht, wenn Arbeitsverhältnisse, die er für schützenswert hält, krank werden, und drohen zu sterben. Der Staat erhält damit eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien, nötigt aber beiden Seiten in der Kur ab, etwas beizutragen. Arbeitnehmer*innen verzichten auf einen Lohnanteil und Arbeitgeber*innen verzichten darauf, Menschen zu entlassen. Die Lasten klingen einseitig verteilt, doch kann es für Unternehmer*innen schon schwer zu ertragen sein, die Unternehmensstruktur – auch personell – nicht so schnell wie möglich an die Marktsituation anzupassen. Für Unternehmer*innen bedeutet Kurzarbeit in der Regel, dass alle Anstrengungen der Akquise von neuer Arbeit gilt. Nicht so allerdings jetzt in der Coronakrise. Jetzt können die einzelnen Unternehmer*innen gar nichts tun: z.B. Hotels müssen einfach geschlossen bleiben – sie dürfen nicht arbeiten. Da hilft keine Akquise, da es schlichtweg keinen Tourismus- und kein Veranstaltungsgeschäft mehr gibt. Alles verboten! Also was tun? Einfach zusehen wie sämtliche, dennoch weiterlaufende Kosten (wie Pacht) sich zu riesigen Schuldenbergen auftürmen und gleichzeitig keinerlei Einnahmen absehbar sind? Manch eine/r fragt sich da: Warum haben eigentlich Vermieter*innen in der Krise nichts beizutragen?

Die Kurzmiete funktioniert exakt wie die Kurzarbeit

Das klassische, auch in der Krise weiter zu bedienende, Schuldverhältnis ist die Miete. Gewerbetreibende wie Privatmenschen brauchen Raum zum Leben – zum Arbeiten und Wohnen. Wenn sie kein Eigentum am Raum haben, bezahlen sie für die Nutzung des Raums eine Miete. Insbesondere Wohnen steht dabei auch unter einem gewissen Schutz des Staates – gegeben einerseits durch die sozialen Menschenrechte (siehe z.B. Bundeszentrale für politische Bildung) andererseits durch Landesverfassungen (z.B. Berlin § 28, oder Bremen § 14).

Warum gibt es keine Einsicht in die Notwendigkeit, dass Wohn- und Gewerbemietverhältnisse ebenso zu erhalten sind, wie Arbeitsverhältnisse? Der volkswirtschaftliche Nutzen steht außer Zweifel. Es ist besser Menschen, die in einem geregelten Wohnverhältnis eingerichtet sind, in diesem zu halten, auch wenn sie in eine wirtschaftliche Krise kommen. Es ist ausgesprochen leichtsinnig vom Staat hinzunehmen, dass die Mietverhältnisse der Menschen von Vermieter*innen gekündigt werden können, sobald sie zwei Monatsmieten säumig sind. Die hohen Kosten einer Zwangsräumung, eventuell einer Notunterbringung und weiterer Leistungen, die der Staat in Folge des Verlusts eines Wohnverhältnisses erbringen muss, stehen in keinem Verhältnis zu einem Stabilisierungsmechanismus, der ähnlich aufgebaut sein könnte wie der bei der Kurzarbeit.

Angenommen der Staat wollte auch möglichst alle Wohnverhältnisse erhalten, könnte er nach dem Muster der Kurzarbeit den Beteiligten anbieten, das Wohnverhältnis finanziell zu stützen. Die Voraussetzung dafür müsste sein, dass die Beteiligten anteilig einen Beitrag zur Sicherung des Wohnverhältnisses leisten: Der/die Mieter*in wird verpflichtet das maximal mögliche zu bezahlen (z.B. max. 40% des Rest-Einkommens) und der/die Vermieter*in wird ebenso verpflichtet, auf einen Teil der Miete zu verzichten (max. 40%). Die Miete wird also temporär auf einen Wert abgesenkt, der von den Mieter*innen noch bezahlt werden kann und der Staat gibt bis zu 60% der Ausfallmiete hinzu. Für diese finanzielle Leistung verlangt der Staat von den Vermieter*innen, dass sie darauf verzichten, die Mieter*innen zu kündigen. Im Extremfall bezahlen Mieter*innen gar nichts mehr (= Kurzmiete Null) und Vermieter*innen bekommen 60% der eigentlichen Miete vom Staat bezahlt. Das Niveau der Kurzmiete kann wie bei der Kurzarbeit flexibel angepasst werden: Ist Geld da, kann Miete gezahlt werden, geht es aus, kann auf eine bezahlbare Kurzmiete abgesenkt werden. Beziehen Mieter*innen ohnehin gerade ein Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis auf Kurzarbeit, wird die Kurzmiete automatisch auf denselben Wert angepasst und die Miete wird ebenso wie der Lohn vom Staat aufgefüllt. Mieter*innen müssen nur vor dem Staat glaubhaft machen, dass sie sich in einer vorübergehenden Krise befinden. In einer Situation wie der jetzigen Coronakrise, ist ein Verweis auf den verordneten Shutdown schon glaubhaft genug (siehe Voraussetzungen der Corona-Soforthilfe für Solo-Sebstständige und Kleinstunternehmer*innen).

Und bei Gewerbemietverhältnissen könnte es ganz genauso laufen. Hier wäre möglich, dass die Beteiligten „Geschäftsleute“ untereinander ohne Regelung durch eine staatliche Institution aushandeln können, auf welches Kurzmiete-Niveau abgesenkt wird. Solche im gegenseitigen Interesse liegenden Vorgehensweisen sind durchaus üblich und im Moment der Krise ist allen Gewerbemieter*innen angeraten, an die Mitverantwortung der Vermieter*innen zu appellieren, um in Form einer „Mietenbrücke“ einen temporären, einvernehmlichen Mieterlass zu bekommen. Bei der Kurzmiete wäre ein Mieter-Unternehmen, das mit seinen Mitarbeiter*innen gerade auf Kurzarbeit ist, jedenfalls berechtigt auf eine entsprechende Kurzmiete abzusenken. Der/die Vermieter*in könnte sich dann beim Staat den Mietausfall auffüllen lassen. So wäre das Verfahren auch transparent und unbürokratisch geregelt.

Es braucht einen Ausweg aus der Verschuldungsfalle

Viele der Coronahilfsmaßnahmen führen zu weiterer Verschuldung: Mieter*innen können nun wegen in der Coronakrise aufgelaufenen Mietschulden nicht gekündigt werden, aber die Miete ist später hoch verzinst zurückzuzahlen. Zahlungsziel zwei Jahre. Unternehmensunterstützungen laufen über vereinfachte oder vergünstigte KfW-Kredite. Einzig bei den Corona-Soforthilfen für Solo-Selbstständige und Kleinstbetriebe gibt es echte Förderungen, die nicht zurückgezahlt werden müssen und damit nicht in die Verschuldung führen.

Eine Kurzmiete-Regelung wäre bei Weitem gerechter als die Schulden aufbauenden Scheinlösungen, bei denen Vermieter*innen die einzigen sind, die keinen Beitrag zu leisten haben. Im Gegenteil: Sie können durch die Krise weitere Ansprüche geltend machen und ihre Macht wächst damit sogar. Kapitaleigner*innen werden die Gewinnler*innen der Krise sein. Kann das gerecht sein? Kann das das Ziel des Staates sein, der doch eigentlich Arbeitsverhältnisse und Wohnverhältnisse schützen wollte?

Aber der Staat handelt bisher nicht nur ungerecht, sondern auch leichtsinnig. Es muss auch gesehen werden, dass Kapitaleigner*innen befürchten müssen, dass viele Schuldner*innen angesichts der heraufziehenden umfassenden Wirtschaftskrise ihre Kapitaldienste nicht mehr leisten können werden. Bisher sichere Anlagen werden schnell zu Ramschkrediten und es droht der massenhafte Totalausfall von Schuldner*innen, was womöglich zum Zusammenbruch des Finanzsystems führt.

Es ist aus volkswirtschaftlicher Sicht angeraten, ein System aufzubauen, das den Begriff der Solidargemeinschaft größer fasst. Die Kurzmiete kann dieses System sein und unsere Gesellschaft stabilisieren.

An alle Bedenkenträger*innen – es geht noch weiter …

Es sei versucht, erwartbare Gegenargumente zu antizipieren:

  • Wenn es die Kurzmiete gäbe, würden doch Vermieter*innen Menschen mit ungeregeltem Einkommen noch weniger wahrscheinlich einen Mietvertrag geben.

Auch jetzt schon lässt sich kaum ein/e Vermieter*in auf Menschen ein, die keine Sicherheiten bieten können. Für Studierende müssen Eltern bürgen, für ALG I oder II Empfänger*innen sichert das JobCenter ab. Wer einen Job hat – egal auf welchem Niveau dieser bezahlt ist, kann potenziell immer die Arbeit verlieren, was dazu führen würde, dass die Wohnung nicht mehr bezahlt werden könnte. In einer Welt mit Kurzarbeit und Kurzmiete hätten Vermieter*innen zumindest die Sicherheit, dass wenigstens 60% oder mehr reinkommen. Im Gegensatz zum drohenden Totalverlust kein schlechter Deal.

  • In einem angespannten Wohnungsmarkt haben Vermieter*innen kein Interesse daran Wohnverhältnisse zu erhalten, sondern freuen sich über jede Chance zur Kündigung, weil Neuvermietung immer zu einer deutlich höheren Miete möglich ist.

Das stimmt und weist darauf hin, wie notwendig Regelungen sind, die nach dem Muster des Berliner ›Mietendeckels‹ erlassen werden. Insbesondere in angespannten Märkten muss dem Gesetzgeber ermöglicht werden, die Anhebung des Mietniveaus bei Neuvermietung zu begrenzen. Ob dies in der Kompetenz der Bundesländer liegt, wird die Klage gegen den Berliner Mietendeckel vor dem Verfassungsgericht zeigen. Mit der Einführung der ›Kurzmiete‹ müsste aber wohl in jedem Fall verbunden sein, dass Vermieter*innen mindestens in angespannten Wohnungsmärkten dazu verpflichtet werden, sich mit Mieter*innen auf eine bezahlbare Kurzmiete zu einigen. Dies müsste für Mieter*innen auch einklagbar sein.

  • Wenn Mietverhältnisse nur noch abgesenkt bedient werden müssen, hat das Konsequenzen auf die Finanzierungen der Immobilien und des Neubaus.

Ja, so ist es. Machen wir doch zur Kurzarbeit und zur Kurzmiete noch die Kurzschuld. Dann wirkte die mögliche Absenkung durch bis in den Kapitalmarkt. Die Börse würde dann darüber entscheiden, welcher Aspekt der ›Kurz-Lösung‹ für Anleger*innen relevanter erscheint: Die Garantie einen totalen Kapitalausfall zu vermeiden oder die Verzögerung des Kapitaldienstes. Wie diese Einschätzung an der Börse eingepreist wird, würde darüber entscheiden, ob die Kapitalbeschaffung teurer würde oder nicht. Vielleicht würde ja, in einer globalen Gesundheits-, Wirtschafts- und Finanzkrise eine Teilabsenkung bei gleichzeitiger Staatsgarantie sogar weiteres Geld in den verhältnismäßig sicher erscheinenden Hafen gespült. Wer meint, das voraussagen zu können, meint sicher auch, die Wirtschaftswissenschaften wären ein Fach, in dem es Naturgesetze gäbe.

  • Viele Kleinst- und Kleinvermieter*innen finanzieren sich direkt ihr manchmal auch sehr geringes Einkommen über Mieteinnahmen. Deren Einkommen können nicht einfach bis zu 40% reduziert werden.

Das ist sicherlich richtig. Es gibt z.B. einige Rentner*innen, die sich ihre kümmerlichen Renten durch Mieteinnahmen aufbessern. Aber warum sollte denen, auf die das zutrifft, in der Krise nicht ebenso wie Arbeitnehmer*innen eine Absenkung des Einkommen aufgebürdet werden können? Menschen, die Einkünfte aus Mieten in der Einkommenssteuererklärung angeben müssen, sollten da genauso behandelt werden, wie Solo-Selbstständige oder sonstige Kleinstunternehmer*innen. Strukturell ist nicht einzusehen, warum Einkünfte aus der Vermietung von Eigentum anders bewertet sein sollten, als z.B. das Betriebskapital Auto einer selbstständigen Fahrschullehrer*in. Zur wirtschaftlichen Absicherung müsste für sie alle die Grundsicherung bereit stehen und auch der Zugang zu den Corona-Soforthilfen möglich sein. Sollten die eigenen Wohnkosten einer Vermieterin oder eines Vermieters höher sein, als zumutbare 40% des Einkommens (das durch verminderte Einnahmen wegen einer Kurzmiete in der Krise natürlich absinken wird), dann müsste es auch für sie Wohngeld geben. Dann wird auch das Wohnverhältnis eines Menschen staatlich gesichert, der selbst vermietet und dadurch Einkommen erzielt. Da Ziel sollte jedenfalls sein, alle gleich zu behandeln.

Die Diskussion ist eröffnet.

5 Kommentare

  1. Connie Wagner|10. April 2020

    Die Idee der Kurzmiete und einer gerechteren Lastenverteilung bedingt durch den shutdown, halte ich für unabdingbar. Es ist nicht einzusehen, dass diese Belastungen weiterhin so einseitig auf die Kapitalgeber, sprich Mieter und Staat abzuladen sind, während sich die Kapitalnehmer, hier die Vermieter, gänzlich aus der Verantwortung stehlen können. Letztere sollen neben sicheren Einnahmen nicht noch zusätzlich Vorteile durch Zinsen auf Mietausfällen und Kündigungserleichterung bei Mietschulden erzielen, wenn nicht gleich, dann nach Beendigung oder Lockerung der Sicherheitsmaßnahmen. Sie müssen die gesellschaftliche Verantwortung mit tragen. Wie das rechtlich umgesetzt werden kann, muss unbedingt geklärt werden.
    Aber gerade zur Vermeidung einer zusätzlichen Finanzkrise durch Zahlungsunfähigkeit, z.B. von laufenden Krediten und Zinssteigerungen, könnte ein Umdenken in der Finanz- und Immobilienwirtschaft möglich sein, besonders weil es zunächst temporäre Maßnahmen zur Vermeidung langfristiger Folgen sind. Auf eine Einsicht aus sozialen Grundgedanken zum Erhalt von Wohnraum und Arbeits- und Lebensstrukturen zu hoffen, wäre angesichts der bisherigen Erfahrungen nur sehr bedingt möglich. Die vorherrschende marktwirtschaftliche Ausrichtung setzt auf finanziellen Wachstum. Da würde der Hebel über die staatlichen Zuschüsse bis zu einer maximalen Obergrenze von 60% sicher wirken, weil Immobiliengeschäften von Kapitalanlagen abhängig sind und diese neben Renditen ganz besonders in der heutigen Zeit Sicherheiten bieten müssen.

  2. Seb|10. April 2020

    Ganz offensichtlich meint Magnus mit ‚Kapitalgeber*innen‘ etwas diametral anderes als Connie. Ich weiss allerdings nicht was. Normalerweise würde ich denken: Investoren, Banken etc. Könnte es sein das der Begriff ungünstig ist?

    • Magnus|11. April 2020

      Ich meine mit „Kapitalgeber*innen“ diejenigen, die ein finanzielles Schuldverhältnis geltend machen können. Also Eigentümer*innen als Vermieter*innen gegenüber den Mieter*innen, aber auch Banken als Kreditgeber*innen gegenüber Eigentümer*innen. Da stehen eben alle in einer Kette der Kreditnahme und Schuldverpflichtung. Die Frage ist, wie weit nach hinten (oder oben) „kurzgedacht“ 😉 werden soll.

  3. Connie Wagner|12. April 2020

    Damit die Diskussion etwas in Schwung kommt, hier eine Zusammenfassung von Vorstellungen zur Vermeidung von Mietausfällen des Eigentümerverbandes und der ZIA, um einer drohenden „Entsolidarisierung“ entgegenzuwirken, die dazu führen würde, dass viele private Vermieter in die Insolvenz gehen würden.

    https://www.tagesschau.de/inland/miete-corona-101.html

    Die Positionen sind hier zwar verkürzt aber übersichtlich dargestellt.

    Grundaussagen zur Behebung von Mietausfällen sind bislang von Vermieterseite:
    – ein sozialer Mietenfonds für Vermieter, der die Mietausfälle ausgleicht
    – mehr und unbürokratische Wohngeldzahlungen, damit Mieter weiterhin die Miete zahlen können.

    von der Bundesregierung:
    – Verlängerung der Kündigungsfrist bei Mietaußenstände – befristetes Ausnahmemietrecht

    Diese Diskussion und Entscheidungen werden spätestens in drei Monaten auf die Bundes- und Landesregierungen zukommen.
    Wie kann sie beeinflußt werden? Ist dieser Gedanke realistisch?

  4. Magnus|12. April 2020

    Punkt 4 bei den antizipierten Gegenargumenten habe ich erst nach Veröffentlichung (am Abend des 12.4.2020) aufgenommen, nachdem diese Kritik auf Facebook mehrfach genannt wurde.